Arroganz und eitle Selbstgewissheit sind meistens schlechte Ratgeber, wenn es am Ende doch noch zu bösen Häusern geht. Zum veröffentlichten Stand der Ludwigstrassenbebauung bis zum Ende April 2018.
Einwendungen gegen die rabiate Ludwigstrassenbebauung schon vorab und gleich zu Beginn einer Diskussion, die noch gar nicht recht stattgefunden hat, zu denunzieren, disqualifiziert sich selber: die Leserbriefschreiber in der Wetterauer Zeitung seien die immer selben Neinsager etc.etc.; ein aufgeweckter Bürger wird das längst notiert haben. Bis in die höchste Verwaltungsspitze wurde unglaublich früh möglicher Widerstand oder auch nur Skepsis gegen die Ludwigstrassenbebauung verübelt; und par Ordre du Mufti zu unterdrücken versucht. Statt zur Chefsache zu machen, dass die Massnahmen so früh wie möglich dahingehend aufbereitet werden, dass auch der interessierte Laie sich ein Urteil erlauben kann; oder mindest soviel Vertrauen aufzubringen bereit ist, dass er die Massnahmen in kompetenter Hand zu wissen glauben darf. Nichts davon. Ein lokalpolitisches Kommunikationdesaster ersten Ranges, umstandslos und ohne Not schon angezettelt von den Befürwortern. Statt den Bürger einzubinden wird er unter Verweis auf Autoritäten und vermeintliches Renommee der Verantwortlichen verschaukelt.
Ein Bürgermeister, der sein Amt recht versteht, ist zumindest nach seiner Wahl und der Tendenz nach der Meister der Bürger: Bürgermeister für alle Bürger nämlich; und zwar auf Zeit. Hier in Bad Nauheim jedoch heisst es schon gleich zu Beginn (WZ vom 4.11.2017!): 'Zerreden lasse ich dass Konzept nicht'. Was ist das für ein Verständnis seiner selbst? Und des Amtes? Wenn die eigene Erleuchtung, die ja durchaus legitim ist, 'mutiger, genialer Entwurf für das Sprudelhofgelände' (WZ dito) usw., umstandslos mit Machtgehabe fusioniert, kann man sich ja gleich ins kleine Sonnenkönigtum einschiffen lassen. Den Widerstand, den man vermeintlich listig zu unterlaufen versucht, hat man selber nur fleissig mitprovoziert; und eine Debatte gewinnt an Härte, statt zunächst und erst einmal dem freien Austausch des Für und Wider zuzuarbeiten. Ein Kommunikationsdesaster ersten Ranges eben. Wurde wie hier der Einstieg erst einmal verfehlt, ist es kaum noch gutzumachen. Wie konnte es dazu kommen?
Jetzt (WZ vom 26.4.2018) heisst es auch noch, Simulationen und Visualisierungen der Straßenansichten können erst und frühestens 2019 vorgelegt werden, da andere Entscheidungen am Sprudelhof prioritär seien. Wenn man sich bei einem 100 Millionenprojekt vor Augen hält, in welch hohem Anteil die Ludwigstrassenbebauung zur Finanzierung beitragen soll, dann wäre hier doch alles dafür zu tun, diese Massnahme frühzeitig argumentativ in den Fokus zu stellen: Sollte man jedenfalls vermuten. Hier läppische, aber unbedingt notwendige 3D
-Vorabansichten, die zumindest das Grundschema vor Augen stellen, anbieterseitig aufzuschieben, heisst doch nur, alles andere auch zu gefährden, wenn das Ludwigstrassenprojekt am Ende doch noch scheitern sollte; und bereits an anderer Stelle im Sprudelhof getätigte Investitionen in Kredite überführt werden müssen.
Wie wenig klug muss man sich geben, hier selbstverliebt Blindekuh zu spielen und zu glauben, gegen die Inkompetenz der anderen Seite sei eh kein Kraut gewachsen. Der Ritt über den Bodensee ist womöglich vorprogrammiert; und ein unschönes Ende alles andere als undenkbar. Die Wirklichkeit ist oft nüchtern, und die Opfer der Zukunft werden dann die, die es derzeit gar nicht für möglich halten möchten. Gegen die interessierte Bürgerschaft sich an wichtigem Punkt zu verschanzen ist noch keiner Verwaltung gut bekommen; und strategisch klug ist es ebenfalls nicht. Auch da sollte sie selber schon aus Eigeninteresse viel genauer hinschauen, welche Mentalitäten sich ihr andienen. Das Image der grossen wie der kleinen Politik ist nicht das beste; und immer wieder wird es von ihr selbst bedient. Auch bei der kleinen. Überaus schade.
Was denn, wenn die Ludwigstrassenbebauung nachdrücklich von der Bürgerschaft abgelehnt wird? Heisst es dann, die Gegner und Skeptiker haben das ganze Sprudelhofprojekt gefährdet? Immerhin darf man auch hier erwähnen, dass die jahrelange Verschleppung am Sprudelhof eine durch die Politik ihrerseits war; die sich mit fortlaufender Gutachtenvergabe und den üblichen wechselseitigen Fraktions-Blockaden den Aufschub aller nachdrücklichen Entscheidungen erkauft hat; und wie es eben so ist, viele der seinerzeit Verantwortlichen haben ihre Sessel längst geräumt. Der Notstand, der hier und jetzt künstlich fabriziert wird, bereitet schon jetzt vor, später gegebenenfalls den Skeptikern der Ludwigstrassenbebauung das mögliche Scheitern des 'grossen Wurfes' anzulasten; sollte es tatsächlich dazu kommen.
Hinzu tritt eine seltsam ihrer selbst gewisse Pro-Initiative (WZ vom 22.12.2017), die sich auch sofort selber feiern lässt: 'bekannte Bürger, die lange hier leben, sich durch ihre berufliche oder ehrenamtliche Arbeit einen Namen gemacht haben' ; und diese Pro-BI gibt ebenfalls gleich ihren Einstand mit übler Vorabdenunziation: auch sie sieht in den Gegnern oder auch nur Skeptikern der Ludwigstrassenbebauung 'die immer gleichen Einwender und Bedenkenträger' etc.; man zögert ja, guterzogen wie man ist, hier ad hominem zu argumentieren; darf aber erstaunt feststellen, dass die Pro-Initiative genau das mit aller Schärfe praktizitiert, und zwar gleich von Anfang an. Da ist die Panik schon Geburtshelfer: 'Kritik an einer lautstarken Minderheit ' wolle man üben und verhindern, dass das Konzept eines, wie üblich natürlich: 'renommierten Architekten', zerredet werde. Man will offensichtlich nur noch anderen, die man für unmündig nimmt, den bündigen Bescheid erteilen. Rathaus und Pro-BI: Ein Wettrennen der Pharisäer? Der permanente Verweis auf Kompetenz und Renommee ist nur noch nervig; in der Klippschule lief das mal so: Lernziel vorgegeben, Lernziel memoriert, Lernziel erreicht. Volkspädagogik aus einer anderen Epoche. Die allerdings Gott sei Dank vergangen ist.
Souverän ginge ganz anders; das Durchpeitschen von Entscheidungen und die eilfertige Herstellung von Beschlüssen, deren Folgewirkungen möglichst intransparent gehalten werden, muss Skepsis erzeugen; Fraktionszwänge und Hinterzimmerabsprachen können einer Sache dann schnell den Rest geben. Das Bad Nauheimer Rathaus als kleine Festung verriegelt gegen 'die Bürger draussen im Lande', wie es über viele Jahre hin mal so schön wie selbstentlarvend aus Bonn verlautete? Man hört bereits von Anweisungen, was aus dem Haus diskursiv nicht nach draussen dringen darf. Nur noch Augen zu und durch?
Schon bei der öffentlichen Erstpräsentation der neuen Sprudelhofkonzeption wurde im Hinblick auf die Ludwigstrassenbebauung deren 'grosser Entwurf' als einer ausgegeben, der dem Sprudelhof endlich zukommen lasse, was ihm bislang offenbar gefehlt habe: Die Einfassung durch die neuen Stadthäuser entlang der Ludwigstrasse gewähre ' ganz neue Perspektiven und Einblicke', so Hölzinger/Patscha in gemeinsamem Singsang, auf das Ensemble der Jugendstilbauten. Als ob der Sprudelhof erst jetzt zu sich selber käme und sein lang vermisstes Supplement erhielte. Grossherzog Ernst Ludwig muss da wohl etwas verpasst haben; oder unterlassen. Wer will das ernsthaft glauben? Das überaus peinliche Bild auf Seiten der Pro-BI 'vom schönen Gemälde, das durch einen passenden Rahmen noch aufgewertet wird' , legt dann noch nach und drückt die Investorenprosa gleich noch einmal ins erstaunte Publikum.
Der empfindliche Hörer solch kühler, aber auch leider üblicher, Architekten-und Investorenprosa, zumal auch auf Seiten ihrer eilfertigen Adepten, lauscht ihr die Absicht ab und ist verstimmt.
Immerhin und nicht nur beiläufig ist die Bebauung der Ludwigstrasse eben nicht vorrangig dem Wunsch nach einer ästhetischen Bereicherung zu verdanken, sondern wie in dankenswerter Offenheit gleich bei der Erstpräsentation kommuniziert wurde: Der 'grosse Wurf' ist einer vom Schielen nach dem grossen Geld; 1A-Bürgergelände durch Privatisierung einer profitablen Verwertung zuzuführen, um in einer vergleichsweise kleinen Stadt die Finanzierung der Gesamtinvestion überhaupt stemmen zu können. Der konsternierte und hoffentlich 'folgsame' Bürger darf sich dann mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Strassenschlucht wiederfinden, die sich im Halbkreis um die Jugendstilanlage zieht; sie wird nicht mehr so einfach abzuräumen sein wie verfehlt platzierte Fahrradständer. Doch ein Entwurf, den noch keiner kennt, wird das ja angeblich verhindern: so das Vorabgerede von 'unbedingt qualitätsvoller Architektur', die man ausschreiben werde; und die man sich ins Blaue hinein schönreden kann. 11 Meter Höhe sind dann keine 11 Meter Höhe mehr, wenn nur der richtige Architekt zum Zuge kommt. Metaphysik der Perspektive vermutlich. Mag man es glauben?
Ganz erstaunlich die übrigens fröhlich unkritische Berichterstattung zum Thema in der FAZ bislang; man möchte meinen, sie selber vermute, anders als in der Eigenwerbung stets mitsuggeriert, die klugen Köpfe tatsächlich nurmehr auf Seiten ihrer Leser. Grossflächige Artikel, die sich lesen wie gleich aus dem Bad Nauheimer Rathaus souffliert.
Unser lokales Blatt, die Wetterauer Zeitung, darf sich dahingegen schon wie ein revolutionäres Blatt fühlen; wenngleich auch sie Pressemitteilung und Kommentar nicht stets sauber zu trennen bemüht ist, sondern der ihr angetrauten Mitteilung gegebenenfalls gleich ihren eigenen Anteil einarbeitet: Da steht dann PM und ihr eigenes Kürzel und keiner weiss, von wem genau welche Akzentsetzung stammt. Das muss nicht sein und riecht nach verbummeltem Volontariat. Eine Erfahrung, der sich interessanterweise beide Bürgerinitiativen bereits ausgesetzt sehen durften.